„Unausweichlich, unsicher, unvorhersehbar und ungeheuer schnell.“ Vier Attribute, mit denen der Gastredner Johann Hofmann beim 4. Innovationskreis die „Industrie 4.0“ beschreibt.
Mit über 50 Teilnehmern war das Interesse am Innovationskreis sehr groß. Der Technologie- und Netzwerkmanager des Bezirks Oberpfalz, Michael Zankl, lädt die Unternehmensvertreter in regelmäßigen Abständen zu dem Netzwerktreffen für Führungskräfte ein. Die Plattform bietet den Vertretern die Möglichkeit, sich über technische und prozessorganisatorische Themen zu informieren und sich untereinander auszutauschen.
Dieses Mal fand die Veranstaltung bei der Firma Stangl statt und ging es um die „Digitale Produktion“. Zankl´s Empfehlung: „Die Unternehmen sollten die komplette Wertschöpfungskette und den gesamten Lebenszyklus eines Produkts digital abbilden. Daten sind das neue Öl für Erfolg und Wirtschaftlichkeit.“ Er schränkt ein: „Vor jeder Automatisierung oder Digitalisierung müssen die Prozesse organisiert werden. Erst dann können sinnvolle Daten ermittelt werden, die zu relevanten Informationen ausgewertet werden können.“
Die Firma Stangl ist diesen Weg gegangen und hat sämtliche Daten der Produktion digitalisiert und sie in dem 2009 eingeführten Assistenzsystem ValueFacturing der Maschinenfabrik Reinhausen (MR) abgebildet. Seither wird das System konsequent mit Daten gefüttert. „Es ist ein langwieriger Prozess, der nie aufhört“, merkt Florian Dürr, Projektleiter bei Stangl an. Der Geschäftsführer Stangl ergänzt: „Man muss Zeit aufwenden, es intern betreuen, die Leute mitnehmen, dann führt es zum großen Mehrwert.“
Johann Hofmann, Leiter er Abteilung ValueFacturing bei MR, tüftelt bereits seit 1989 an der Frage, wie man den Fertigungsprozess digitalisieren und geschickt steuern kann. Schritt für Schritt vernetzte er Maschinen, Bauteile und Werkzeuge miteinander. Hofmanns Software funktioniert wie ein Multidolmetscher: Sie übersetzt unterschiedliche Datensprachen und vernetzt Mensch und Maschine miteinander. Wie sich die Zerspanung über die Jahre letzten Jahre entwickelt hat, erklärt Hofmann so: „Erst war sie einfach, dann schwieriger, dann kompliziert und jetzt ist sie komplex. Mit Wissen kann man komplizierte Aufgaben lösen, aber nur mit Können kann man komplexe Aufgaben lösen.“ Industrie 4.0 lässt die steigende Komplexität vollständig zu und reduziert durch Assistenzsysteme die bei dem Menschen „ankommende“ Komplexität, auf ein beherrschbares Maß. Hofmann erwähnt augenzwinkernd: „Wenn Herr Dürr davor gewusst hätte, wie das wird, hätte er Angst gehabt.“ Der Maschinenbauingenieur stellt den Unternehmern ein Ultimatum: „Zu digitalisieren ist anstrengend, aber was bleibt Ihnen Anderes übrig?“ Stangl gibt zu: „Am Anfang gab es massive Widerstände. Da braucht man junge Leute, die vor nix Angst haben, die gierig sind, solche Projekte umzusetzen.“ Er warnt vor Naivität: „Es passt nicht alles für jeden, man muss schauen, was für das eigene Unternehmen passt!“
Hofmann glaubt nicht daran, dass sich eine computerintegrierte Fertigung mit Insellösungen durchsetzen wird, in der die einzelnen Akteure dezentral miteinander kommunizieren müssen. Die Vielzahl von dadurch entstehenden Schnittstellen zwischen den beteiligten Akteuren bringen dabei unumgänglich zahllose Kommunikationsprobleme mit sich. Je mehr Kommunikationen ablaufen bzw. je mehr Schnittstellen in einem Kommunikationsprozess auftreten, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für auftretende Probleme. ValueFacturing ist daher eine zentrale Datendrehscheibe: Bei 20 Akteuren werden somit die Anzahl der Schnittstellen von 380 auf nur 40 Schnittstellen reduziert. Dies hilft, die Fehleranfälligkeit drastisch zu minimieren.
Die Softwarelösung meldet Informationen seit der Version 3.0 auch auf das Smartphone. Hofmann: „So können Sie auch um ein Uhr früh von zu Hause aus Ihre Daten abrufen – wenn Sie das wollen.“ Hofmanns persönliches Ziel für 2017 ist ein neues Geschäftsmodell: „Ich will die Software verschenken und die Kunden zahlen pro Mausklick.“ Für die Firma Stangl zahlt sich der Einsatz des Systems aus. Vor allem die kostenintensiven Rüstzeiten konnten auf ein Minimum reduziert werden, da alle Werkzeuge konsequent vorbereitet werden können und die Maschine nur noch das macht, was sie soll, nämlich fräsen.
Mit der Einführung des Systems konnten immense Produktivitätssteigerungen erreicht werden: „Die Entscheidung bereue ich nicht, es hat unser Unternehmen massiv nach vorne gebracht.“, so Stangl. In einem anschließenden Firmenrundgang erklärte Florian Dürr den beeindruckten Gästen die digitale Auftragsabwicklung anhand eines realen Beispiels in der neuen Fertigungshalle. Der gemeinsame Netzwerkabend wurde von den Teilnehmern noch lange intensiv genutzt, um sich untereinander auszutauschen.